Am 29.09. ist Tag der Endometriose und zu diesem Tag der Aufkärung, habe ich dir die wichtigsten Fakten zur Endometriose im Überblick in diesen Blogartikel gepackt. Wer lieber Video- und Audio-Content zur Wissensvermittlung einsaugt, der kann sich meinen Beitrag auf Youtube im Aufklärungskanal Healthcelerates zu Endometriose anschauen: https://www.youtube.com/watch?v=o9Wm3FSZWX8&t=43s
Endometriose zählt zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen. Schätzungsweise 7-15 % aller Menstruierenden sind betroffen, was in Deutschland ca. 2 Millionen Menschen mit Endometriose und 40.000 Neuerkrankungen pro Jahr bedeutet.
Dennoch wissen die wenigsten, was wirklich dahintersteckt, welche teilweise starken Beschwerden Betroffene haben und welchen langen Leidensweg manche auf sich nehmen müssen, bis sie Gehör und Linderung finden.
Aber was ist Endometriose nun?
Bei der Endometriose wächst Gebärmutterschleimhaut ähnliches Gewebe an einem Ort deines Körpers, wo sie eigentlich nicht hingehört. Das kann in der Gebärmuttermuskulatur, im Eileiter oder in den Eierstöcken, in der Vagina oder außerhalb der Geschlechtsorgane, zum Beispiel an der Blase, am Darm, auf dem Bauchfell, in der Beckenwand oder im Bauchnabel sein. Sogar Herde in der Lunge wurden schon beschrieben.
Prinzipiell können Endometriosezellen überall im Körper wachsen. Der wahrscheinlich bekannteste Ort sind allerdings Endometriosezysten an den Eierstöcken. Diese werden von Gynäkolog*innnen auch Schokoladenzysten genannt, weil das alte Blut, was sich dort ansammelt, in der OP ähnlich wie flüssige, dunkle Schokolade aussieht.
Warum macht die Endometriose nun Beschwerden, wenn es sich um gutartige Zellen handelt, die eigentlich eine wichtige Funktion im Körper erfüllen?
Weil sie eben, wie schon gesagt, am falschen Ort wachsen. Expert*innen sagen dazu oft “versprengtes Gebärmuttergewebe”. Durch den natürlichen Hormonzyklus gesteuert, baut sich die Gebärmutterschleimhaut in der ersten Zyklushälfte Östrogen-bedingt auf und blutet, sofern du nicht schwanger bist, zu Beginn des nächsten Zyklus als Menstruation wieder ab. Leider hat die Schleimhaut außerhalb der Gebärmutterhöhle nicht die Möglichkeit abzufließen und sorgt so an ihrem untypischen Ort zu Reizungen, Entzündungen oder eben Zysten. Und dies kann sich, bemerkt oder unbemerkt, Monat für Monat beziehungsweise Jahr für Jahr verschlimmern und zu Verklebungen, Verwachsungen oder Vernarbungen zwischen den Beckenorganen oder einem tiefen, invasiven Hineinwachsen der Endometriosezellen zum Beispiel in die Beckenwand oder Gebärmuttermuskulatur führen. Nicht jede Endometriose ist schmerzhaft oder Erkrankte nehmen die Schmerzen als "nicht normal" wahr, aber 60-70% der Betroffenen geben Beschwerden an, die ihren Alltag und ihre Lebensqualität beeinträchtigen können.
Das Tückische an der Endometriose ist, dass man sie nicht unbedingt im Ultraschall sieht, gerade, wenn sie außerhalb der Geschlechtsorgane wächst. Häufig leiden die Patient*innen an unspezifischen Beschwerden, wie monatlich wiederkehrenden Unterbauchschmerzen, wehenartigen Menstruationskrämpfen, unregelmäßigen Blutungen, Rückenschmerzen, Übelkeit, Verdauungsstörungen wie Verstopfung oder Durchfall, Blut im Stuhl, Schmerzen beim Sex, auffällige Schmerzen bei der gynäkologischen Untersuchung, Kopfschmerzen, Magenschmerzen, einer Reizblase mit Schmerzen beim Wasserlassen oder Blut im Urin. Die Beschwerden sind abhängig vom Ort, wo die Herde sitzen, haben ihren Höhepunkt ein bis drei Tage vor der Menstruation und flachen in der Regel nach der Periodenblutung wieder ab, gegebenenfalls verschwinden sie ganz. Dabei korreliert die Stärke der Beschwerden nicht zwingend mit der Größe der Herde. Bei einer ausgeprägten Endometriose können Verwachsungen zur Ursache von dauerhaften, zyklusunabhängigen Beschwerden werden und unter Umständen das Schwangerwerden erschweren oder sogar zu Unfruchtbarkeit führen. Statistisch gesehen hat jede zweite Frau beziehungsweise menstruierende Person mit unerfülltem Kinderwunsch eine Endometriose.
Wie diagnostiziert man Endometriose?
Bei chronischen, wiederkehrenden Unterbauchschmerzen beziehungsweise der eben genannten Reihe an Beschwerden unklarer Ursache, die vor allem zur Periode hin auftreten, Menstruationsbeschwerden, die weit über den “normalen Krampf” hinausgehen - denn NEIN! deine Menstruation sollte entgegen dem, was viele glauben, nicht weh tun - solltest du gemeinsam mit deiner Gynäkolog*in genauer hinsehen.
Als allererstes tut man dies mit einem ausführlichen Gespräch. Danach folgen die gynäkologische Tast- und Spekulumuntersuchung und ein vaginaler Ultraschall. Andere Erkrankungen, auf die deine Beschwerden hinweisen könnten, sollten ausgeschlossen werden.
In letzter Instanz kann die Endometriose nur mittels Bauchspiegelung und der Entnahme einer Gewebeprobe sicher bestätigt werden. Allerdings reicht heute im Gegensatz zu noch vor ein paar Jahren das Beschwerdebild, sowie der Ausschluss anderer Erkrankungen aus, um die Diagnose zu stellen und mit Therapien zu beginnen.
Eben weil die Beschwerden unspezifisch sind, die Endometriose sich oft nicht direkt in der üblichen gynäkologischen Vorsorge zeigt und dieses Krankheitsbild einfach nicht allen Menschen - auch Ärzt*innen - in ihrer Ausprägung und Häufigkeit bekannt ist oder umgehend in den Sinn kommt, dauert es oft Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte, bis sie entdeckt wird. Am häufigsten wird eine Endometriose zwischen dem 35-45 Lebensjahr diagnostiziert.
Welche Ursachen für Endometriose gibt es?
Zu den Ursachen der Endometriose stehen wir leider auch noch etwas auf dem Schlauch. Es gibt hier mehrere Theorien: von einer rückwärts gerichteten Menstruation, eine Umwandlung von Stammzellen nach Entzündungen oder aufgrund hormoneller Einflüsse, einem invasiven Hineinwachsen der Gebärmutterschleimhaut in ihr Muskelgewebe, bis über Veränderungen des Immunsystems, wird einiges diskutiert. Sicher ist, dass es eine erbliche Komponente gibt.
Als Risikofaktoren einer Endometriose gelten viele Menstruationstage im Leben, zum Beispiel wegen kurzen Zyklen, einer frühen ersten Regelblutung, keiner oder weniger Schwangerschaften sowie kurzen Stillzeiten.
Ohne klare Ursache sind wir auch mit der Erforschung von Endometriosetherapien noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt. Aber es gibt viele Möglichkeiten dir zu helfen. Am allerwichtigsten ist, dass du Ärzt*innen und Therapeut*innen an deiner Seite hast, die dich kompetent begleiten, denen du vertraust und mit denen du zusammenarbeiten möchtest. Und ja, diese zu finden kann eine Herausforderung, teilweise auch sehr frustrierend, sein, da so viele Faktoren hierbei eine Rolle spielen, wie etwa die Behandlungserfahrung mit Endometriose, dein Beschwerdebild, persönliche Vorstellungen von der Therapie und die Persönlichkeiten von dir und den Behandler*innen natürlich.
Zudem reicht oft ein oder eine Spezialist*in nicht aus, um alle deine Fragen zu beantworten. Ein Team von Gynäkolog*innen, Ärzt*innen anderer Fachbereiche wie die Schmerztherapie oder die Psychosomatik, Psychotherapeut*innen, Physiotherapeut*innen, vielleicht auch Expert*innen für Komplementärmedizin können dich auf deinem Weg unterstützen. Man nennt das ein multimodales Therapiekonzept. Es gibt Spezialist*innen und Zentren für Endometriose, die du online finden kannst und auch Selbsthilfeorganisationen, die dir bei der Suche nach passenden Ärzt*innen und Therapeut*innen helfen. Daher ermutige ich dich, nicht den Mut zu verlieren und dran zu bleiben.
So, welche Therapien können dir nun konkret helfen und kommen im Kampf gegen die Endometriose zum Einsatz?
1. Schmerzmittel können Schmerzen lindern: Vor allem Medikamente, die gleichzeitig entzündungslindernd wirken, haben sich als günstig erwiesen. Manchmal reichen herkömmliche Schmerzmittel jedoch nicht aus.
Zusätzlich ist es hilfreich, Methoden im Umgang mit Schmerzen zu erlernen, wodurch der Schmerzmittelbedarf gesenkt und dein persönliches Wohlbefinden um ein Vielfaches gesteigert werden kann.
2. Hormone:
In der Regel wird die Pille als reines Gestagen oder einphasiges Östrogen-Gestagen-Kombinations-Präparat im Langzyklus eingesetzt, was von den meisten Anwender*innen gut vertragen wird. Seltener kommen die Hormonspirale oder GnRH-Analoga zum Einsatz. Letztere rufen chemisch reversibel eine vorgezogene Menopause hervor, weshalb dann eine so genannte add-back-Therapie mit künstlichen Hormonen empfohlen wird. Um langfristige Erfolge zu sehen, sollten Hormone, wenn möglich, über einen längeren Zeitraum, jedoch mindestens über 6 Monate angewandt werden. Nicht alle Patient*innen möchten oder können, wegen der möglichen Nebenwirkungen, Hormone einnehmen. Auch das muss beim Therapiekonzept berücksichtigt werden.
3. Operationen:
Zur Diagnosesicherung, aber vor allem, wenn ein besonders ausgedehnter Befund, eine große Endometriosezyste oder bereits Verwachsungen vermutet werden, die zu chronischen Beschwerden oder einer Beeinträchtigung von Organfunktionen zum Beispiel des Darms, der Blase oder des Eileiters führen können, steht eine Bauchspiegelung (auf medizinisch Laparoskopie) und im Zuge dessen möglichst die komplette Entfernung der Endometrioseherde an erster Stelle. Manchmal kann es sogar sinnvoll oder nötig sein, Teile des Darms, den Eileiter oder sofern kein Kinderwunsch besteht, die Gebärmutter zu entfernen - wobei das nicht die Regel ist. Zumeist wird im Anschluss an die Operation eine hormonelle Therapie empfohlen, um einem Rezidiv - so nennt man es, wenn die Endometriose wiederkehrt - , entgegenzuwirken. Es sei denn man möchte sofort schwanger werden. Bei etwa der Hälfte der Patient*innen kehrt die Endometriose im Laufe der fruchtbaren Jahre leider zurück, was weitere Operationen nach sich ziehen kann.
4. Komplementärmedizin:
Alternative oder besser gesagt komplementärmedizinische Methoden können eine wertvolle Ergänzung zur klassischen Behandlung sein. Ein ganzheitlicher Blickwinkel auf die Gesundheit des Menschen mit Zeit und eine gesunde Lebensführung sind ihre Markenzeichen. Zum Einsatz kommen zum Beispiel Elemente der traditionellen chinesischen Medizin wie Akupunktur, Yoga, Achtsamkeits- und Entspannungsübungen, aber auch verschiedene Phytotherapeutika. Da es hierzu leider nur wenig wissenschaftliche Evidenz gibt, basiert ihr Einsatz überwiegend auf Erfahrungswerten. Dennoch gewinnen sie mehr und mehr an Aufmerksamkeit und Wichtigkeit für ein ganzheitliches Therapiekonzept und das finde ich nicht nur großartig, sondern auch sehr wichtig.
5. Ein gesunder Lebensstil:
Dass ein gesunder Lebensstil uns in jeder Lebenslage gut tut, ist logisch. Regelmäßige Bewegung kann ein gutes Ventil sein, das allgemeine Wohlbefinden zu steigern, ebenso wie ein möglichst pflanzenbasierter, verdauungsfördernder, antientzündlicher Ernährungsstil. Auch auf die ausreichende Zufuhr von Vitaminen, wie Vitamin D bei einem Mangel, Vitamin C und E, Omega-3-Fettsäuren und Mikronährstoffen, wie Magnesium und Kalzium bei Krämpfen oder Eisen bei Eisenmangel darf geachtet werden.
Es gibt viele Kurse und spezielle Reha-Angebote für Menschen mit Endometriose, in denen entsprechendes Wissen über einen gesunden Lebensstil gelehrt und komplementärmedizinische Therapien ausprobiert werden können.
6. Psychotherapie und Psychosomatik:
Schon alleine die Vorstellung eine Therapie für die Psyche in Anspruch zu nehmen, ist für viele Menschen unvorstellbar. Sie schämen sich oder haben Angst, den “Psychostempel” aufgedrückt zu bekommen - denn die Schmerzen sind ja real und organischer Ursache. Zweifellos stellt der jahrelange Leidensdruck eine große Belastung für die Psyche dar, was meines Erachtens nach nicht außer Acht gelassen werden sollte. Zudem können im therapeutischen Setting gesundheitsfördernde Denk- und Verhaltensweisen unterstützt werden, um in Zukunft besser mit der Diagnose und ihren Beschwerden umzugehen.
Muss Endometriose immer hormonell oder operativ behandelt werden?
Verursacht die Endometriose hingegen keine oder kaum Beschwerden und zeigt auch keine Tendenz, sich auszubreiten, kann es sein, dass sie gar nicht hormonell oder operativ behandelt werden muss. Allerdings ist es gleichermaßen sinnvoll abzuwägen, eine Endometriose frühzeitig zu behandeln, bevor es zu chronischen Schmerzen, Verwachsungen oder gar Unfruchtbarkeit kommt. Wichtig ist, dass du dich informierst, mit deiner Gynäkolog*in gemeinsam nach Konzepten schaust, die zu dir passen und nicht verzweifelst.
Zudem können andere Betroffene Halt und Verbundenheit schenken, zum Beispiel in klassischen Selbsthilfegruppen. Die Endometriose Vereinigung e.V. (https://www.endometriose-vereinigung.de) bietet als Selbsthilfeorganisation von und für Endometriose-Betroffene eine umfangreiche Informationsplattform über die Erkrankung, zeigt wo und wie man kompetente Hilfe finden kann und klärt in unterschiedlichen Projekten zum Beispiel in Schulen oder auf politischer Ebene auf.
Mehr und mehr Menschen berichten auch auf Social Media über ihre Erfahrungen und inspirieren auf ihrem Weg, damit endlich mehr Aufmerksamkeit für eine der häufigsten und dennoch noch recht unbekannten gynäkologischen Erkrankungen geschaffen wird. Das finde ich ganz wunderbar, denn nur durch Aufmerksamkeit geschieht Aufklärung und das erhöht gleichzeitig den politischen Druck, mehr in die Endometriose-Forschung zu investieren.
Ich hoffe, ich konnte heute ein wenig Licht ins Dunkel bringen zum Thema Endometriose und dir Hoffnung machen, falls du oder ein Mensch, der dir nahe steht, betroffen ist.
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