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PMS vs PMDS vs PME oder wenn du in der zweiten Zyklusphase zur Werwölfin wirst.

  • mirjamwagner86
  • 25. März
  • 7 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 26. März

Wenn du in der Woche vor der Periode das Gefühl hast, plötzlich jemand anders zu sein – gereizt, traurig, überfordert, außer dir – dann bist du damit nicht allein. Und nein, du bildest dir das nicht ein. Vielleicht steckt PMS, PMDS oder PME dahinter. Noch nie von den Kürzeln gehört? Dann wird’s Zeit, dass wir darüber sprechen.


PMS, PMDS, PME – Was ist was?

Die meisten kennen PMS – das prämenstruelle Syndrom. Viele menstruierende Personen erleben in den Tagen vor der Periode Stimmungsschwankungen, Brustspannen, Heißhunger, Verdauungsprobleme, Akne, Ödeme, Brain fog, Gedankenkreisen, depressive Verstimmtheit, Reizbarkeit und, und, und .... insgesamt wurden über 100 Symptome (eine Studie spricht von 150) beschrieben. Wichtig ist: Sie treten nur in der Lutealphase, also der zweiten Zyklusphase, zumeist in der Woche vor der Menstruation auf - potentiell sogar schon ab kurz nach dem Eisprung - und verschwinden mit der Menstruation oder in den ersten Tagen dieser wieder. In meinem Buch "Mein PMS und Ich. Vor den Tagen endlich wohlfühlen." schreibe ich von 25% aller Menstruierenden, die betroffen sind. Im Netz findet man Angaben bis zu 80%. Die Studienlage hierzu ist natürlich dünn - der Gender Health Gap lässt grüßen. Aber du kannst davon ausgehen, dass es viele betrifft. Die Symptome können in ihrer Intensität und Dauer stark variieren und können einen Einfluss auf das soziale und berufliche Leben haben.


Die Prämenstruelle Dysphorische Störung, kurz PMDS (engl. PMDD) kann man als große Schwester vom PMS verstehen – aber in viel intensiver mit einem Schwerpunkt auf den psychischen Symptomen, die die Stimmung betreffen (also die Dysphorie). In der PMDS-Zeit ist das Leben der Betroffenen regelrecht lahmgelegt. Sie fühlen sich wie ausgetauscht, als wären sie jemand anders - die "Werwolfpersönlichkeit" eben, was manchmal auch als Dr. Jekyll und Ms Hyde Phänomen bezeichnet wird. Nach aktuellen Schätzungen sind etwa 5,5% aller Menstruierenden betroffen - und viele wissen es nicht.


Und PME? Das steht für Prämenstrual Exazerbation, also eine premenstruelle Verschlechterung bereits bestehender psychischer oder chronischer Erkrankungen – z. B. Depression, Angststörung, ADHS, Essstörung, Schizophrenie, aber auch Asthma, Arthritis, chronisch entzündliche Erkrankungen, sogar einer Suchterkrankung wurden beschrieben. Die Symptome treten also nicht neu in der Lutealphase auf, werden dann aber massiv verstärkt. Schätzungen zufolge betrifft PME bis zu 49 % derjenigen, die sich ursprünglich mit PMDS identifizieren. Allerdings ist die PME noch eine recht neue Entdeckung und sie gilt offiziell noch nicht als anerkannte Erkrankung. Das heißt natürlich nicht, dass es sie nicht gibt, sondern das die Forschung hierzu noch sehr jung ist und trägen medizinischen Diagnose-Kataloge sowie die Lehre brauchen leider teilweise Jahrzehnte, bis sie aktualisiert werden.


Wie erkennt man, dass es PMDS ist?

Weder PMS noch PMDS oder PME lassen sich im Blut oder Speichel messen. Also bitte, lasst euch keine unnötigen und teuren Tests hierzu im Internet aufschwatzen. Denn es handelt sich nicht um eine Hormonschwankung im klassischen Sinne. Vielmehr reagiert der Körper besonders sensibel auf die natürlichen Schwankungen der Sexualhormone in der zweiten Zyklushälfte. Im englischen Sprachgebrauch spricht man passenderweise von einer zyklischen Hormonsensitivität (cyclical hormone sensitivity). Damit eine Diagnose gestellt werden kann, muss für mindestens zwei Monate ein Zyklustagebuch geführt werden. Unter dieses zwei Links findest du Tracking-Toolkits zum kostenfreien Download iapmd.org/toolkit und https://almutdorn.de/wp-content/uploads/2021/12/PMDS-Tagebuch-Praxis-neu.pdf. Wer lieber online tracken möchte, findet vielleicht in der App Me vs PMDS einen passenden Symptomtracker. Gynäkolog*innen bevorzugen i.d.R. allerdings das analoge Tracking mit Stift auf Papier, zur besseren Übersicht.


Bei den Zyklusbeobachtungen sollte vor allem auf das Auftreten folgender Symptome geachtet werden:


Kernsymptome (mind. eins davon ist für die Diagnose notwendig):

  • Starke Stimmungsschwankungen, z. B. plötzliche Traurigkeit oder Tränenausbrüche

  • Reizbarkeit, Wut oder erhöhte Konfliktbereitschaft

  • Depressive Verstimmung, Gefühle von Hoffnungslosigkeit oder Wertlosigkeit

  • Starke Angst, Anspannung oder starke Nervosität

Diese Symptome stehen im Zentrum der Diagnose. Mindestens eines davon muss vorliegen.


Weitere Symptome (zusätzlich, mind. 5 insgesamt aus beiden Bereichen):

  • Weniger Interesse an üblichen Aktivitäten (z. B. Arbeit, Freundschaften, Hobbys)

  • Konzentrationsprobleme (Brain Fog)

  • Energielosigkeit, Erschöpfung

  • Appetitveränderungen (z. B. Heißhunger, Überessen, aber auch Appetitlosigkeit)

  • Schlafstörungen (z. B. Einschlaf- oder Durchschlafprobleme)

  • Gefühl von Überforderung oder Kontrollverlust

  • Körperliche Symptome wie Brustspannen, Muskel- oder Gelenkschmerzen (ich nenne das gerne meinen Hormonmuskelkater), Blähungen, Ödeme oder Gewichtszunahme


Wie unterscheidet sich PMDS von PMS?

Es ist nicht immer einfach PMS und PMDS zu unterscheiden und der Übergang mag fließend sein. In folgender Abbildung habe ich die für mich einleuchtensten Differenzierungsmerkmale gegenüberzustellen. Im Laufe des Lebens z.B. mit steigender Mental Load oder auch in der Prä- und Perimenopause kann ein PMS zudem zu PMDS werden. Daher ist es wichtig, achtsam auf die Signale des Körpers zu hören und diese ernst zu nehmen. Zumal PMDS eine sehr ernstzunehmende Erkrankung ist, die mit einer signifikant erhöhten Suizidrate einhergeht. Sowieso gilt: Alle prämenstruellen Symptome sollen ernst genommen werden. Es gibt Hilfe und niemand muss unverstanden im Stillen leiden!

Merkmal

PMS

PMDS

Häufigkeit unter den Menstruierenden

Sehr häufig (>25 %)

Ca. 5–8 % (5,5%)

Intensität und Therapie

sehr variabel, mild bis mäßig. M.E. immer ernst zu nehme. Für viele suffizient durch Lifestyle-Änderungen und ohne medikamentöse Therapie behandelbar.

Stark beeinträchtigend, oft kaum erträglich. I.d.R. medikamentöse Therapie notwendig.

Psychischen Symptome

Milde bis moderate, z.B. Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, uvm.

Starke bis extreme psych. Symptome, tiefe Verzweiflung, Wutausbrüche, sogar Suizidgedanken

Alltagseinschränkung

je nach Symptomatik

Häufig massive Beeinträchtigung


Warum entsteht PMDS?

PMDS ist - wie schon gesagt, aber man kann es nicht oft genug wiederholen - keine Hormonstörung an sich – sondern eine gestörte Reaktion des Gehirns auf die normalen Hormonveränderungen im Zyklus. Die wichtigsten Auslöser nach aktuellem Forschungstand sind:

  1. Eine genetische Veranlagung: Es gibt bestimmte Genkomplexe die häufiger bei Menschen mit PMDS auftreten.

  2. Empfindlichkeit gegenüber Allopregnanolon (ALLO), einem Progesteron-Abbauprodukt, das die GABA-Rezeptoren beeinflusst. Dies bewirkt im Gehirn anstelle der normalen Entspannungsreaktion eine Reaktion von Stress, Wut, Reizbarkeit, Stimmungsveränderungen, u.s.w

  3. Ungleichgewicht von Serotonin und anderen Neurotransmittern: Es wurden Änderungen im Serotoninspiegel gefunden. Auch Wechselwirklungen mit anderen Hormonen können eine Rolle spielen. Hier braucht es noch mehr Infos.

  4. Strukturelle oder funktionelle Gehirnunterschiede: In MRT-Untersuchungen konnte eine stärkere Aktivierung der Stress- und Angst-Zentren gesehen werden. Daher gehört die Resilienzstärkung und achtsamkeitsbasierte Techniken, wie die Menditation immer zu meiner Therapie dazu. Noch eine wichtige Info: Statistisch gesehen haben Betroffene gehäuft traumatische Erfahrungen in ihrer Vergangenheit erlebt (aber nicht alle!).

  5. Die Stresssysteme sind aus dem Gleichgewicht (z. B. HPA-Achse): Menschen mit PMDS haben bzw. leiden statistisch gesehen stärker unter Stress, was natürlich auch die Nähe zu chronsichen - stillen - Entzündungen bringt. Neben der Resilienzstärkung gehört für mich zu einer ganzheitlichen Therapie daher ein Ernährungscheck. Auch, wenn bei PMDS und PME diese Lifestyle Interventionen nicht als ausreichende Therapien gelten, empfinde ich sie als wichtige und kompementäre Säulen. Aber schauen wir uns die Therapiesäulen doch mal genauer an.


Welche Therapien helfen bei PMDS?

Leider gibt es nicht das eine Heilmittel, was allen hilft. Und ich befürchte, dass dieses eine Wundermittel in der näheren Zeit auch nicht gefunden wird. Dennoch gibt es Forschung und mehrere Behandlungsoptionen, die eine gute Chance auf Linderung bieten:


  1. Allen voran als Basis stehen für mich die Lifestyle-Änderungen (Ernährung, Bewegung, Schlafhygiene und Stressmanagement). Eine Verbesserung dieser hat eine signifikante Wirkung auf die gesamte mentale und körperliche Gesundheit. Abstand nehmen sollte man von Alkohol, Zigaretten, Convenience Food und - mein Herz blutet - auch Koffein, zumindest in der PM(D)S Phase. Auch zu Nahrungsergänzungsmittel wie Calcium, Magnesium, Vitamin B6, Vitamin D, Eisen, Tryptophan und Inositol gibt es einzelne Studien. Hier gilt jedoch nicht "viel hilft viel", sondern ein bewusstes und gezieltes Vorgehen - am besten gemeinsam mit einer Therapeutin, die sich auskennt. Bei allen Lebensstilmodifikationen ist Geduld wichtig. Demnächst wirst du zum Lifestyle bei PM(D)S hier noch einen separaten Blogartikel finden.

  2. Antidepressiva, genauer gesagt die sogenannten SSRIs (Serotonin-Reuptake-Inhibitoren), die auf das serotonerge System wirken, gelten z.Z. als First-line Therapie. Sie können täglich oder nur in der Lutealphase zum Einsatz kommen und wirken in der Regel schneller und auch in niedrigerer Dosierung, als man es vom Einsatz bei der Depression kennt. In 60% der Fälle ist mit einer signifikanten Linderung der psychischen Symptome, v.a. der Dysphorie, Angst und Gereiztheit zu rechnen. Nur 60%? Leider ja, aber sagen wir lieber immerhin. Die eine perfekte Pille bei PMDS gibt es ja leider nicht.

  3. Hormonelle Verhütung. Hier sind es vor allem die Pillen, die den Wirkstoff Drospirenon enthalten, welche wegen seiner langen Halbwertszeit die besten Ergebnisse erzielten. Es gibt sie als Kombipille mit Östrogen und Gestagen, aber auch als Gestagenmonopille. Theoretisch könnten auch andere Pillen mit dem passendsten Risiko-Nutzen- Profil und der besten Verträglichkeit zum Einsatz kommen. Hierbei ist eine kurze Pillenpause wie bei der Kombipille mit Drospirenon (von nur 4 Tagen) oder gleich ein Langzyklus wichtig, damit es gar nicht erst zu hormonellen Schwankungen kommt. Die Hormonspirale ist übrigens ungeeignet, da sie nicht immer den Eisprung sicher unterdrückt und somit das PMDS in der Lutealphase trotz hormoneller Zyklusregulation aufflammen kann.

  4. Psychotherapie. Es gibt bereits Studien, die einen Benefit für PMDS-Betroffen durch eine kognitiven Verhaltenstherapie sehen. Ich selbst assistiere als Studienärztin bei einer PMDS-Studie für die Belle-App, die mit Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie und positiver Psychologie arbeitet. Ich glaube fest daran, dass man mit einer psychotherapeutischen Begleitung oder zumindest der Vermittlung einer verhaltenstherapeutischen Toolbox einen großen Einfluss auf das alltägliche Erleben und die Alltagsgestaltung von Menschen mit PM(D)S haben kann. Es braucht allerdings noch mehr Studien, um diese Behauptung zu belegen. Ich arbeite daran.

  5. Es gibt noch weitere hormonelle Ansätze bei denen der Zyklus unterdrückt wird und somit das Hormonlevel ohne Schwankungen zur PM(D)S-Freiheit führen soll. Hierunter fällt auch das Herbeiführen einer chemische Menopause mit den sogenannten GnRH-Analoga und einer kombinierten Hormonersatztherapie, auch Add-Back-Therapie genannt, damit es nicht zu Wechseljahrsbeschwerden kommt. Dies kann in Betracht gezogen werden, wenn alle o.g. Therapien erfolglos bleiben und ist soweit bisherige Studien zeigen, reversibel. Als allerletzte Option gilt die irreversible chirurgische Entfernung der Eierstöcke, ggf. mit Gebärmutter und Hormonersatztherapie, von der ich allerdings bisher nur in extremen Fällen gelesen habe.


Wenn dir niemand glaubt …

… dann lass dir sagen: Du bist nicht allein – und du bildest dir das alles nicht ein. PMDS, PME und auch PMS sind real und es gibt Möglichkeiten dir zu helfen. Nicht jede*r Ärzt*in (oder Therapeut*in) ist darüber informiert, weil wir im Studium und sogar in der fachärztlichen Weiterbildung der Gynäkologie und Geburtshilfe oft nichts davon hört. Dennoch hast du ein Recht darauf, gehört und gut behandelt zu werden. Hilfreiche Ressourcen für dich und deine Behandler*innen findest du z. B. auf dem Youtube-Kanal der International Association vor Premenstrual Disorders, kurz IAPMD.

Ich schaue mir regelmäßig ihre Videos an, um mich fortzubilden und unterstütze den Verein mit meiner Mitgliedschaft, damit sie Aufklären und die Forschung voranbringen.


Fazit: Ob PMS, PMDS oder PME – dein Zyklus ist nicht "nur ein bisschen anstrengend". Wenn du regelmäßig in ein emotionales Loch fällst, ist es an der Zeit, hinzuschauen und dir Hilfe zu holen.


In meiner Privatpraxis für Gynäkologie und Ernährungsmedizin - die ich gerade gründe - werde ich mich auf das Thema PMS und PMDS spezialisieren und stehe dir gerne mit Rat und Tat zur Seite. Folge meinem Newsletter, um den Praxisstart nicht zu verpassen und, wenn du magst, trage dich in die Warteliste ein.


Für Medizin & Fempowerment mit Herz und Verstand, deine Mirjam

 
 
 

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